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Wissenswertes über Pferderücken, Reiter und Sattel

Lange bevor der Mensch erkannte, dass der Pferderücken als Lastträger gebraucht werden kann, musste dieser Körperabschnitt wichtige Funktionen erfüllen. Auch wenn man heute fälschlicherweise annimmt, dass der Rücken zum Reiten gemacht wurde, ist dies die untergeordnete Funktion. Zweifelsohne zählt der Rücken zu der zentralen Bewegungseinheit des Pferdes und gehört, neben dem Maul, zu den empfindlichsten Körperteilen des Tieres. Gleichzeitig wird er durch das Reiten aber auch am stärksten in Anspruch genommen und strapaziert.

Doch was geschieht nun beim Reiten mit dem Rücken des Pferdes und was ist für uns wichtig beim Bauen des richtigen Sattels?

Unter dem Rücken des Pferdes begreift man die Region der Brust- und Lendenwirbelsäule mit den entsprechenden Knochen, Gelenken, Bändern, Muskeln, Nerven und Sehnen. Er steht in enger Verbindung mit anderen Körperabschnitten wie Kopf und Hals, Brust und Bauchwand sowie mit der Schulter und den Beckengliedmaßen. Weiter besteht er aus vielen verschiedenen Gewebselementen, die eng miteinander verbunden sind, aber getrennt besprochen werden sollten. Gerade beim Rücken wird das enge Zusammenwirken der verschiedenen Strukturen wie Knochen, Muskel, Bänder, Sehnen und Nerven sehr deutlich.

 

Von vielen wichtigen Aufgaben sollen hier nur einige erwähnt werden:

  • Schutz des Rückenmarks
  • Schutz für Herz und Lunge
  • Befestigung der inneren Organe
  • Beweglichkeit der Gliedmaßen

 

Die Brust- und Lendenwirbelsäule bilden das knöcherne Gerüst am Rücken. Die Brust- und Lendenwirbelsäule sind im Vergleich zur Halswirbelsäule wenig gebogen und ermöglichen aufgrund der besonderen Bauweise nur wenig Bewegung.

Die Wirbelkörper besitzen am vorderen und hinteren Ende eine Wachstumszone, durch die das Längenwachstum ermöglicht wird. Das Wachstum der Wirbel wird erst sehr spät abgeschlossen, die letzten Wachstumszonen der Wirbel verknöchern erst mit circa sechs Jahren. Zusätzlich gibt es an den Dornfortsätzen der Brustwirbel eigene Verknöcherungszentren, die erst nach einem Alter von über 10 Jahren das Wachstum beendet haben.

Die Wirbelsäule des Pferdes bildet eine geschwungene Kette aus unterschiedlich gebauten Wirbeln. Sie setzt sich zusammen aus 7 Halswirbeln, 18 Brustwirbeln, 6 Lendenwirbeln, 5 Kreuz- und 18 bis 21 Schweifwirbeln. Der Pferderücken ist als sogenannte Brückenkonstruktion ausgebildet, wobei die Gliedmaßen als Stützpfeiler dienen. Von der horizontalen Position her müsste man eigentlich eher von einer Wirbelbrücke als von einer Wirbelsäule sprechen.

Durch diesen Aufbau ist der Rücken des Pferdes in der Lage, auch größere Lasten problemlos zu tragen.

Der Schweizer Veterinärmediziner Erwin Zschokke war im Jahre 1892 einer der ersten Europäer, der exakte Messungen über die Beweglichkeit der Wirbelsäule des Pferdes vornahm. Schon er stellte fest, dass für die Stabilität der Wirbelsäule die Dornfortsätze mit dem daran befestigten Ligamentum supraspinale (Dornfortsatzband) von Bedeutung sind. Er beobachtete, dass die durchschnittliche Senkung des Rückens bei intakten Dornfortsätzen unter Einfluss von 50 bis 80 Kilogramm schweren Gewichten nur vier Zentimeter betrug. Von ihm wird erstmals die Änderung der Stellung der Dornfortsätze in Abhängigkeit von der Kopf-/Halsstellung beschrieben.

An den Brust-, Lenden- und Kreuzwirbeln befinden sich nach oben gerichtete Verlängerungen, sogenannte Dornfortsätze. Sie sind bis zum 15. Brustwirbel schweifwärts geneigt. Der 16. Brustwirbel steht senkrecht, alle Dornfortsätze deuten kopfwärts. Die 18 Brustwirbel bieten den acht Trage- oder wahren Rippen sowie den zehn Atmungsrippen seitlichen Ansatz. Mit dem über die Rippenknorpel mit den Rippen verbundenen Brustbein bilden sie den stabilen, geschlossenen Brustkorb. 

Dieser schützt zum einen die innen liegenden Organe vor Verletzungen, gleichzeitig gibt er dem Bewegungsapparat die nötige Stabilität, um die Last des Körpers abzufangen.

Bewegungsrichtungen – Wir definieren heute vier Bewegungsrichtungen der Wirbelsäule:

  • Dorsoflexion – Abwölbung
  • Ventroflexion – Aufwölbung
  • Lateroflexion – Seitenbiegung
  • Torsion – Drehung

Die größte Seitenbiegung der Wirbelsäule findet im Schritt statt, die größte Auf- und Abwölbung jedoch im Trab. Im Schritt und Trab können wir einen Niveauunterschied der Wirbelsäule von vier bis fünf Zentimetern messen, während wir im Galopp lediglich einen Niveauunterschied von drei Zentimetern messen.

Praktischerweise ermöglicht uns das Brustbein zudem, einen Sattelgurt überhaupt festzuziehen, so dass wir Pferde reiten können.

 

Vereinfacht kann man im Bereich des Rückens zwischen der eigentlichen und der verbindenden Rückenmuskulatur sprechen. Auch kann man die kurzen Rückenmuskeln von den langen Rückenmuskeln unterscheiden.

Ein wichtiger Rückenmuskel ist sicher der lange Rückenmuskel, Musculus longissimus dorsi, der sich entlang der Wirbelsäule ausdehnt. Er sollte das Dreieck zwischen Dorn- und Querfortsätzen füllen und sich auch über die Dornfortsätze verwölben.

Neben der über der Wirbelsäule liegenden Muskulatur benötigt es zusätzlich auch Muskeln, die unten an der Wirbelsäule verlaufen und ebenso trainiert werden müssen wie die Lendenmuskulatur.

Im Zusammenhang mit der Muskulatur an Rumpf und Hals wird der obere, mittlere und untere Traggurt unterschieden. Zum oberen Traggurt zählen unter anderem der lange Rückenmuskel und der Riemenmuskel, zum mittleren Traggurt der lange Halsmuskel und die innere Lendenmuskulatur und zum unteren Traggurt der gerade Bauchmuskel.

Durch das vermehrte Untertreten der Hinterhand muss das Pferd den Rücken runder machen. Dies wird auch als Bascule bezeichnet.

Das Gegenteil wäre der durchhängende Rücken oder das Hohlkreuz des Pferdes. Bei der genauen Betrachtung der Wirbelsäule sieht man, dass im Bereich des 14. bis 16. Brustwirbels die Dornfortsätze nahezu senkrecht stehen, d.h. in diesem Bereich liegt das Zentrum der Aufwölbung der Wirbelsäule und somit das Zentrum der Stabilität. 

Dupaty de Clam, Musketier beim französischen König, schreibt 1769 im letzten Kapitel seines Buches über die Reitkunst vom Schwerpunkt des Menschen und des Pferdes und von der Wirkung des einen auf den anderen.

Fauques war 1982 der erste, der den Abstand zwischen den Dornfortsätzen am lebenden Pferd in Bewegung in Abhängigkeit von der Kopfhaltung maß. Er stellte fest, dass der Abstand der Dornfortsätze nicht nur von der Gangart, sondern auch von der Kopfhaltung abhängt. 

In diesem Bereich muss der tiefste Punkt des Sattels liegen, da selbst ein ausgewachsenes Pferd auf Dauer den Belastungen eines verschobenen Reitergewichts nicht standhalten kann.

Schauen wir nun auf die Wirbelsäule des Reiters, mit der wir nichts anderes machen müssen, als dass wir in unserer biomechanisch vorgegebenen Lotlinie sitzen, d.h. in den natürlichen Biegungen unserer Wirbelsäule, um so die Lotlinie des Pferdes mit unserer Lotlinie in Übereinstimmung zu bringen.

  • Die Lotlinie muss vom Ohr über die Schulter und Hüfte zum Knöchel gefällt werden.
  • Reitsitz bedeutet aufrecht sitzen, rechts und links auf den Sitzbeinen.
  • Aufrechter Sitz beinhaltet nicht die Beckenaufrichtung, sondern das nach vorne gekippte Becken.
  • Gleichgewicht bedeutet freie Gelenkbeweglichkeit und geschmeidige Muskulatur aufrichten, somit ins Lot bringen.

Man vermutete, dass das Syndrom sich berührender Dornfortsätze, auch „kissing spines“ genannt, in der wiederholten, unphysiologischen Absenkung des Rückens beruht. Nachlassende Zugkraft der Rückenmuskulatur und Einschränkung der Kopffreiheit mit der damit verbundenen nachlassenden Spannung der Wirbelsäule könnten mögliche Ursachen sein.

Ein Reitsattel wird bei Reittieren verwendet, um das Reiten für den Menschen komfortabler bzw. sicherer zu gestalten und gleichzeitig den Tierrücken zu schonen. Ein für Pferd und Reiter gut passender Sattel wird unsere Reitbemühungen unterstützen, er wird uns dort hinsetzen, wo uns das Pferd ohne Sattel hinsetzen würde, nämlich kurz hinter den Widerrist.

Der Sattel muss dem Pferd optimal passen, das heißt, ihm optimale Bewegungsfreiheit der Schulterblätter, des Widerristes und der Rückenwölbung ermöglichen.

Für den Sattler stellt der Widerrist eine der wichtigsten Partien des Pferderückens dar. Hier wird der Sattel aufgelegt und bringt mit dem Reiter zusätzliches Gewicht auf den Rücken. Dabei trägt das Pferd bereits 55 Prozent seines Gewichtes auf den Vordergliedmaßen, 45 Prozent der Körperlast ruhen auf den hinteren Gliedmaßen.

Das Lot, der Massenmittelpunkt des Pferdes, befindet sich etwa in Höhe des Brustbeins, unterhalb der Rumpfmitte. Zudem befindet sich das hintere, etwa drei Zentimeter breit verdickte Ende des Schulterblattes nur knapp unterhalb des Widerrists. Auch diesem Punkt muss der Sattler besondere Bedeutung beimessen, denn an dieser Stelle findet die Bewegung des Schulterblattes statt.

Gerade bei besser trainierten Pferden sieht man einen starken Muskelaufbau des unteren Trapezmuskels, der hinter der Schulter liegt. Der Trapezmuskel spannt sich nach oben verzweigend in den langen Rückenmuskel, wobei Rippenmuskel und Rückenmuskel ineinander verflochten sind.

Der Sattel muss die Schulteraktion zulassen, das heißt, das Kissen muss nach vorne-außen auslaufen, um der Schulteraktion den notwendigen Spielraum zu geben. Die Schulteraktion wird durch einen herkömmlichen Kissenaufbau gestört, denn dann stößt die Schulter bei jeder Aktion an den vorderen Kissenrand. Fälschlicherweise werden viele Sättel in diesem ersten Bereich zu stark gepolstert und verengt, anstatt Sattelbaum und Kopfeisen zu verändern und die Öffnung des Kissens zu erhalten.

Die sogenannte Vorgurtstrippe unterstützt die Spannung zur Schulter, indem sie den Sattel im vorderen Bereich des Sattelbaumes fixiert. Durch dieses Festhalten kommt es zu Muskelverspannungen, die durch die Verflechtung bis hin zum mittleren und oberflächlichen Kruppenmuskel reichen können. Ein „festgehaltener“ Rücken, Probleme beim „durchs Genick gehen“, Angst vor dem Aufsteigen, unwilliges Arbeiten, Einsacken beim Striegeln und vieles mehr können die Folge sein.

Der Sattel muss ferner in der Kissenbeschaffenheit deutlich der Anatomie des Pferdes folgen. Gerade durch die Verflechtung des Rippenmuskels in den Rückenmuskel können erhebliche Rückenprobleme durch zu schmale Kissenauflagen entstehen. Ein ideales Sattelkissen sollte Rippen- und Rückenmuskel an ihrem Übergang überlappen. Ein zu schmales Kissen drückt den langen Rückenmuskel gegen Wirbelsäule und Dornfortsätze nach oben und den Rippenmuskel nach unten weg.

Wir sehen also, dass Elastizität und raumgreifender Schub vom Sattel nicht nur geduldet, sondern unterstützt werden müssen. Daraus ergeben sich verschiedene zwingende Regeln des Sattelbaus, die bei jedem der professionell hergestellten SOMMER Sättel sorgfältige Beachtung finden.